Ultramarsch - Ein Erfahrungsbericht: Kilometer 60 - 80 eines 100+ Kilometer Marsch

Du wünschst dir, dich nie hingesetzt zu haben. Doch du willst, ja du musst weiter.

Die ersten Meter sind schlimmer denn je. Du spürst deine Oberschenkel und die Kniegelenke, doch das mit Abstand Schlimmste sind deine Füße. Wer dir bei den ersten Schritten zuschaut würde definitiv gegen dich wetten.

Wechsel der Perspektive (eigene Erfahrung)

Die zweite Krise

Diesmal hatte nicht ich die Probleme, sondern meine Frau. Ihre Blasen waren unerträglich. Wir entfernten uns keine 500 Meter vom 3 VSP, bevor Sie sich setzen und erneut ihre Füße inspizieren musste. Sie wollte für ein paar Kilometer die Schuhe wechseln und es mit den Flip-Flops versuchen (bei starken Schmerzen greift man gerne zu jedem Strohhalm). Natürlich wurde die Idee nach den ersten 2 Schritten schmerzhaft verworfen.

Nun hieß es wieder, Schuhe anziehen! Diese Tortur ließ mich mitleiden. Ich bot ihr an aufzugeben… Keine Chance – das Gegenteil war der Fall. Sie biss die Zähne zusammen und stand auf. Unglaublich, nach ca. 15min. Unterbrechung lief sie zunächst wie auf Eiern weiter, aber sie lief weiter.

Ein weiter Kilometer später schaffte sie es wohl tatsächlich den Schmerz auszublenden und normalen Schrittes auf den stark geschundenen Füßen weiter zu laufen. Dem 4. VSP entgegen.

(Ende des Perspektivwechsels)

Du findest zurück zu deinem Tempo.

Es sollte nun nur noch 2 Stunden dunkel bleiben, bevor die Dämmerung einsetzt. Der Weg führt dich nun wieder in den Wald, allerdings leider auch über asphaltierte Straßen.

Bereits ab Kilometer 50 hast Du begonnen nicht mehr die bereits zurückgelegten, sondern nur noch die verbleibenden Kilometer zu zählen. Nur noch 35 Kilometer – eigentlich eine überschaubare Strecke – wenn da nur nicht schon die letzten 65km in den Knochen stecken würden.

Egal, es dämmert und wird langsam hell. Die Abwechslung gibt Auftrieb und der neue Morgen bringt dich deinem Ziel näher. Die Nacht ist vorbei – geschafft!

Du siehst, nachdem Du den Wald verlassen hast, einen „Streckenposten“ neben seinem Auto stehen. Seine Glückwünsche, zu deiner bisherigen Leistung, motivieren dich zusätzlich. Du blendest, so gut es geht, alle Schmerzen aus. Nachdem du auf den letzten Kilometern durch die Nacht recht schweigsam warst, erwachen zum frühen Morgen wieder deine Lebensgeister. Du unterhältst dich, bist stolz auf dich und ihr sprecht euch gegenseitig Mut zu.

Die Gespräche drehen sich nur um ein Thema… wie weit du schon gekommen bist, wie weit es noch ist und wann der nächste VSP wohl erreicht sein wird.

Zwischendurch der Blick auf deinen Schrittzähler. Vielleicht hast du ja einen Wettkampf auf Fitbit gestartet – diesen hast du schon jetzt sicher gewonnen. All das hilft dir immer wieder einen Fuß vor den Anderen zu setzen…

Dein Körper ist müde, doch du bist wieder im Trott… alles läuft und du kannst dich tatsächlich am morgendlichen Sonnenaufgang erfreuen.

Die Strecke führt über einen Uferweg entlang des Wassers. Du hältst inne und genießt den Augenblick. Für einen kurzen Moment scheint die Welt still zu stehen. (Es sind diese Momente, die einen Lauf von einem Marsch unterscheiden… einfach stehen bleiben und genießen).

Die nächsten 7km bis zu VSP verlaufen ruhig. Die Schmerzen sind ausgeblendet (ja, das funktioniert tatsächlich) und die Rest-Kilometer schrumpfen immer weiter zusammen.

Dann ist es endlich soweit. Du kannst ihn wieder sehen… den Versorgungspunkt.

Diesmal im Biergarten eines Restaurants… inkl. einer „richtigen“ Toilette – ein Traum!

Du genießt die Pause und bedienst dich abermals am reichhaltigen Angebot. Diesmal gibt es sogar Gewürzgurken… dafür bist du also 80km gelaufen ;-)

Deine Schuhe behältst du an. ;-) (weiter)