Ultramarsch - Ein Erfahrungsbericht: Kilometer 40 - 60 eines 100+ Kilometer Marsch

Du stehst auf. Die ersten 15 Meter fühlen sich nicht gut an, doch es wird schnell besser. Dieses Mal war die Pause kürzer und du bist weiterhin motiviert.

Die Stimmung ist gut und du bist überzeugt, dass du es schaffen kannst. Dennoch beginnst du langsam zu erahnen, dass es hart wird.

Versorgungspunkte geben immer wieder Auftrieb und schaffen eine gewisse Euphorie. Von dieser Stimmung getragen wanderst du die nächsten Kilometer.

Es geht über kleine Rad- und Wanderwege raus aus dem urbanen Umfeld hinein in den Wald. Zwischenzeitlich wichen die letzten Sonnenstrahlen der Dunkelheit.

Du bringst deine Stirnlampe in Position. Die kleinste Abwechslung tut gut. Du freust dich auf das Abenteuer „Dunkelheit“.

Wechsel der Perspektive (eigene Erfahrung) Die erste Krise

Bei Kilometer ca. 48 merkte ich, wie mir langsam schlecht wurde. Übergeben oder ausruhen? Ich musste mich kurz setzen und zurücklehnen. Irgendwo im Nirgendwo… mitten im Wald in totaler Dunkelheit.

Aus diesem Grund solltest du immer in Gruppen, von mindestens 2 Personen laufen. Ich hatte zu wenig gegessen… es fehlte definitiv an Energie.

Meine Frau kümmerte sich rührend… Nach 2 Bananen, einem viel zu süßen Müsliriegel und 0,5 Liter Wasser konnte ich nach erst ca. 20 Minuten weiterlaufen.

Ich stellte fest, dass es tatsächlich an Unterversorgung lag, denn es ging mir zwischenzeitlich wieder viel besser.

Nach weiteren 5 Kilometern war ich wieder richtig fit und erst jetzt fiel das Schreckgespenst der möglichen Aufgabe von mir ab. Hatte wieder keinen Zweifel daran, dass ich es nicht nur schaffen kann sondern auch in einer respektablen Zeit.

Im Nachhinein fragte ich mich, wie das überhaupt passieren konnte.

Die Antwort war ganz einfach. Der Kuchen und das Unwohlsein vom ersten Versorgungspunkt führte dazu, dass ich am Zweiten nur einen oder zwei Müsliriegel gegessen hatte – definitiv zu wenig. Nach 40km lässt außerdem das Hungergefühl nach, sodass du dich zum Essen zwingen solltest. Dasselbe gilt natürlich ebenfalls für die Flüssigkeitszufuhr – hiermit hatte ich weniger Problem. Alle 1-2 Kilometer mal ein paar Schlucke aus dem Schlauch und sich gegenseitig daran erinnern.

(Ende des Perspektivwechsels)

Kilometer 55, Du fieberst dem nächsten Versorgungspunkt entgegen. Mit jedem Kilometer wächst wieder deine Motivation und dennoch ziehen sie sich wie Kaugummi. Tatsächlich hast du auch schon lange kein Schild mehr gesehen. Ein Blick auf’s Handy verrät dir, dass du dich auf Kurs befindest. Du läufst nun auf einem Radweg, schnurgerade entlang einer Landstraße.

Viele Läufer, du triffst immer wieder mal einen – wenn auch viel seltener als noch zu Beginn, kämpfen nun intensiv mit Blasen.

Auch dein Partner-/in.

Der letzte Kilometer vor dem Versorgungspunkt führt dich über grobes Kopfsteinpflaster. Die reinste Tortur für gequälte und geschundene Füße.

Doch dann kannst du ihn sehen... Ein unglaubliches Gefühl der Erleichterung. Du strahlst ebenso wie dein Laufpartner-/in.

Zuerst geht es zu den Bierbänken und – tischen. Du entledigst dich deines Rucksacks und setzt dich erstmal. Dann, nach ein paar Minuten „rufen“ die Bananen, Powerriegeln, Keksen uvm.

Du willst nicht nochmal denselben Fehler machen und so greifst du wieder beherzt zu.

Viele um dich herum liegen nun auf dem Boden, die Füße hochgelagert auf den Bierbänken. Einige massieren sich die Beine. Fast alle versorgen ihre Blasen.

Zum vielleicht ersten Mal ziehst du nun deine Schuhe und Strümpfe aus. Oh Gott, kein schöner Anblick. Du fragst dich, wie du damit noch 40km laufen sollst. Ja, du hast Schmerzen und bedienst dich fleißig den eigens dafür eingepackten Pflastern in der Hoffnung auf Linderung.

Du siehst in gequälte Gesichter, siehst Schmerz, Zweifel aber auch immer wieder den eisernen Willen durchhalten zu wollen.

Die Stimmung hat sich gewandelt. Die anhaltende Ausgelassenheit und lustigen Sprüche vom Anfang sind nicht mehr allgegenwärtig und nur noch vereinzelnd wahrzunehmen.

Ein Läufer berichtet dir die ersten 40km waren ein Spaß, nun beginnt der Kampf.

Eigentlich wolltest du keine lange Pause, aber nach 63 Kilometern tust du dich schwer einfach weiter zu laufen…

… doch du bist ein Kämpfer!

Wasserblase füllen, noch mal auf die Toilette und die Bananen einpacken… (weiter)